Gefühle möchten in erste Linie eins - gefühlt werden. Und zwar alle. Trauer, Wut, Schmerz, Verzweiflung, Nervösität, Unsicherheit – all das ist Teil unseres Lebens.
Gerade aber, wenn wir schon in der Kindheit gelernt haben, dass wir mit unangenehmen oder schwierigen Gefühlen allein gelassen wurden, wenn wir schmerzhafte Dinge erlebt haben und keine Möglichkeit hatten, diese angemessen zu verarbeiten, dann packen wir diese Gefühle weg. Oft ist das die einzig mögliche Strategie. Wir sperren Gefühle in eine virtuelle Schublade und sperren sie fest zu.
Hast Du schon mal versucht, einen Ball unter Wasser zu drücken?
Dann kennst Du das: Es kostet unheimlich viel Kraft und an einer anderen Stelle schnellt der Ball irgendwann mit doppelt so viel Power aus dem Wasser heraus.
Genauso ist es mit weggesperrten Gefühlen in fest verschlossenen Schubladen. Sie kosten wahnsinnig viel Energie, die uns für andere Dinge im Leben fehlt. Und irgendwann platzen sie mit doppelter Wucht in unser Hier und Jetzt. Egal, ob der Zeitpunkt passt oder nicht (meistens passt er nicht).
Ich weiß, wovon ich spreche.
Mir ging es selber nach der Geburt meines ersten Kindes so. Mit einem großem Rums kam mir meine ganze eigene Kindheit entgegen. Im Paket dabei: ganz viel Traurigkeit. Schmerz. Hilflosigkeit. Es war zugleich der wunderbare Startschuss, mich endlich mit mir selber auseinanderzusetzen. Und ich kann sagen: Es war eines der besten, befreiendsten Dinge, die ich in meinem Leben je gemacht habe.
Was können wir also anders machen, anstatt alles in eine Schublade zu pressen?
Wir können lernen, unsere schwierigen Gefühle wahrzunehmen und sie zu akzeptieren.
Wir können, dürfen und müssen diesen Gefühlen einen Raum geben. Denn: wenn diese Gefühle da sein dürfen, passiert oft eine großartige Sache: sie gehen auch wieder. Das ist etwas ganz anderes und viel heilsameres, als sie wegzudrücken.
Wir können uns Unterstützung und Begleitung suchen, um schwierige Erfahrungen zu integrieren, um seelischen Ballast loszulassen und um über uns hinauszuwachsen.
Im Frühjahr 2023 habe ich meine Prüfung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie abgelegt. Schon Monate vor dem Tag der mündlichen Prüfung hatte ich Angst, in der Prüfung zu versagen.
Vor den drei Prüferinnen brachte ich dann auch kaum ein Wort raus. Bis ich sagte: „Entschuldigung, das ist heute ein wahnsinnig wichtiger Tag für mich und ich bin furchtbar aufgeregt.“ Verständnisvolles Nicken auf der anderen Seite. Und ab da – war meine Nervosität weg. In der Fallbesprechung, einer Patientin mit einer Zwangserkrankung, war ich total in meinem Flow.
Schließlich dann die ersehnten Worte: „Sie haben bestanden!“ Und: „Von Ihrer Nervösität haben wir gar nichts mehr gespürt.“
Oft wird alles ein bisschen leichter, wenn es ausgesprochen wird.
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